Eine kleine Orientierungshilfe im Begriffsdschungel

Glossar Unternehmenstheater

Autor: Jörg Ritscher, M.A. (Theaterwissenschaften, Soziologie, Pädagogik)
Version: 19.10.2019


 

Hallo lieber Leser, liebe Leserin,
mit diesem Glossar erhalten Sie neben der Definition einiger wichtiger Begriffe auch eine Übersicht über unterschiedliche Theatermethoden und -Formate, die auf Firmenevents oder in Seminaren zum Einsatz kommen.
Welche Spielarten und Varianten verbergen sich hinter dem Begriff „Unternehmenstheater“ bzw. hinter dem im deutschsprachigen Raum ebenfalls häufig verwendeten „Businesstheater“?
Um dieses Glossar möglichst kompakt zu halten, habe ich mich auf wesentliche Theater- und Lernformate fokussiert und auf einige andere Begriffe, wie z.B. Aktionstheater, Impulstheater, Eventtheater, Managementtheater etc. verzichtet, die zwar z.T. auch Verwendung finden, aber oft nichts über die konkrete Anwendungsform aussagen.


Business Kabarett

Kabarettprogramme, die „businessrelevante“ Themen humorvoll aufgreifen, wie z.B. Finanzkrise, PC-Frust, Kundenorientierung, Zeitmanagement, Stress/Gesundheit, Business-Anglizismen, interkulturelle Themen etc.. Häufige Anwendungsbereiche: Auflockerung für Kongresse, Fachtagungen.

 

Businesstheater / Business Theater

Im deutschsprachigen Raum synonym verwendet für „Unternehmenstheater“ / „Firmentheater“
Siehe auch: Unternehmenstheater

 

Corporate Theater (engl./amerik.)

Deutscher Begriff: Unternehmenstheater

 

Feedbacktheater

Szenisch-humorvolle Rückmeldung an ein Team, eine Abteilung oder an eine Organisation. Oft in Form von spontan-improvisierten Szenen, die auf Basis der Beobachtungen der Schauspieler entstehen. Feedbacktheater kann aber auch vorbereitete Passagen enthalten, die auf Basis einer Recherche im Vorfeld der Veranstaltung entwickelt wurden.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Interne Mitarbeiterveranstaltungen
•    Führungskräftetagung
•    Sympathischer Update in den Hintergrund geratener Themen oder von vermeintlich „ungeliebten“ und „trockenen“ Themen wie z.B. Qualität, Arbeitssicherheit, Serviceorientierung u.a.
Ähnliche Formate: Spiegeltheater, Parodie, Parodienspiegel

 

Firmentheater

Siehe „Unternehmenstheater“

 

Forumtheater

Eine vorbereitete Szene/Situation, wird präsentiert. Die Szene zeigt eine Herausforderung oder einen Konflikt, mit dem die Zuschauer sich identifizieren können. Ziel des Forumtheaters ist es, die Zuschauer zu sog. „Zu-Schauspielern“ zu machen, das heißt sie zu Teilnehmern und Gestalterinnen der Bühnenhandlung zu machen.
Die Methode sieht vor
1)    dass die Szene „scheitert“, d.h. einen unbefriedigenden Ausgang hat
2)    dass die Zuschauer methodisch und inhaltlich in die Lage versetzt werden, einzugreifen (z.B. durch Warm-up-Übungen und Diskussionen/Dialog)
3)    dass die Szene wiederholt wird, so dass die Teilnehmer/innen verändernd eingreifen und die Bühnenhandlung in eine gewünschte Richtung lenken können.
Da es im Businesskontext nicht immer möglich ist, TN produktiv auf die Bühne zu bringen, vermeiden viele Unternehmenstheater-Anbieter diese Option und führen Forumtheater so durch, dass die Zuschauer nur verbal eingreifen und die Schauspieler die Alternativen spielen.
Wurzel: Das Konzept des „Theater der Unterdrückten“, entwickelt vom brasilianischen Theatermacher Augusto Boal (1931-2009)
Häufige Anwendungsbereiche in Unternehmen:
•    Vertrieb, Service
•    Gesprächsführung (z.B. Konflikt, Verhandlung, Auftragsklärung)

 

Improvisationstheater / Impro-Theater

Improtheater ist eine eigenständige Theaterform. Einige Improtheater-Gruppen werden für Gala-Shows in Unternehmen gebucht. Dies ist aber nicht Unternehmenstheater im eigentlichen Sinne, wenn diese Formen der reinen Unterhaltung dienen und keine Unternehmensinhalte in das Programm integriert werden.
Viele Unternehmenstheater-Formate bauen jedoch auf Techniken des Improvisationstheaters auf, v.a. die spontan vor Ort entstehenden Formate und damit auch viele interaktive Unternehmenstheater-Formate
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Auflockerung für Kongresse, Kundenevents, Weihnachtsfeiern
•    Mit starkem Themenbezug auch geeignet für Firmenjubiläen, Ausstand eines langjährigen Mitarbeiters u.a.

 

Inszenierung

Letztlich sind Events fast immer eine Art von „Inszenierung“ von Inhalte und/oder Interaktionen.
Im engeren Sinne steht der Begriffe hier für Formate die aktiv von einem Regisseur inszeniert werden (im Gegensatz zu spontan-interaktiven Formen), z.B. ein Businesstheater-Stück, das auf Basis einer Recherche und eines eigens erstellten Skripts/Theatertextes inszeniert wird.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Kundenkommunikation: Messen, Informationsveranstaltungen, Road-Shows u.a.
•    Interne Kommunikation
•    Change Events
•    Große Firmenfeiern, Jubiläen

 

Interaktionstheater / Interaktivtheater / Interaktives Theater

Einige verstehen darunter Impro-Theater, wo auf Basis von Zurufen aus dem Publikum, unterhaltsame Szenen improvisiert werden. Andere bezeichnen Forumtheater als interaktives Theater. Und im Freizeitbereich werden oft Mittelalter-Festspiele mit Gaukler- und Handwerkerrollen etc. als interaktives Theater bezeichnet.
Die Beschreibung von interaktivem Unternehmenstheater zur Personalentwicklung finden Sie unter dem Begriff „Themenorientierte Improvisation (TOI)“

 

Mitarbeitertheater

Hier treten Kolleginnen und Kollegen selbst in Aktion. Führungskräfte, Mitarbeiter, Seminarteilnehmer etc. inszenieren ihre eigenen Perspektiven auf ihr Thema bzw. ihre aktuelle Herausforderung.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Teambuilding-Event
•    Leitbildverankerung
•    Spielerischer Abschluß von Ausbildungsprogrammen u.ä.

 

Psychodrama

Das Psychodrama ist sozusagen die „Mutter“ aller modernen therapeutischen und pädagogischen Rollenspiele, sowie verschiedener Formen der systemischen Aufstellungsarbeit. Auch für die theaterpädagogische Arbeit Augusto Boals und für die „TOI-Methode“ lieferte das Psychodrama viele entscheidende Impulse.
Wurzel(n): Das spontane kindliche Rollenspiel, das der Wiener Arzt Jacob Levi Moreno (1889-1974) beobachtete und der daraus sein Konzept des Psychodramas entwickelte.

 

Themenorientierte Improvisation (TOI-Methode)

Interaktive Unternehmenstheaterform, die – beeinflusst vom Psychodrama und Forumtheater – für den Einsatz im Unternehmenskontext konzipiert wurde. Bei der TOI-Methode gibt es eine/n TOI-Moderator/in, der/die die Teilnehmer von Beginn an in die Lage versetzt einzugreifen und bereits in der Phase der Visualisierung des „Problems“ mitzugestalten. Dies unterscheidet die TOI z.B. vom Forumtheater, bei dem erst in der Lösungsfindungsphase „interagiert“ wird. Die TOI-Methode bezieht somit die Perspektiven und Meinungen der anwesenden Teilnehmer von Beginn an mit ein.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Verhaltenstraining in großen und kleinen Gruppen
•    Impuls oder zentraler Bestandteil von Dialogveranstaltungen
•    Servicetraining, Kundenorientierung
•    Gesprächsführung, z.B. Mitarbeitergespräch oder Kommunikationstraining für Sicherheitsbeauftragte
•    (Bereichsübergreifende) Zusammenarbeit

 

Seminarschauspieler(r)

bezeichnet einen professionellen Rollenspieler als Interaktionspartner in Training, Coaching oder Assessment/AC.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Vertriebstraining für Fortgeschrittene
•    Deeskalierende Kommunikation
•    Auswahlverfahren

2019 wurde der seit vielen Jahren in der Branche gängige Begriff von der Institut Synergie GmbH als Wortmarke eingetragen. Aktuell läuft in dieser Angelegenheit die Widerspruchsfrist. Wir sind gespannt…

 

Seminartheater / Theater im Seminar

Dieser Begriff wird unterschiedlich gebraucht, z.B. für:
•    Mitarbeiter-Theater im Training/Seminar
•    den Einsatz von Seminarschauspielern
•    oder den Einsatz szenisch-interaktiver Lernsettings wie es beispielsweise die TOI-Methode bietet.

 

Spiegeltheater

Improvisation auf Basis der Beobachtung einer Veranstaltung in Form spontan improvisierter Szenen und kabarettistischer Einlagen.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Auflockerung für Kongresse und Fachtagungen.
•    Creative Summary: Inhaltliche Zusammenfassung von Tagungen oder Workshops oder Break Out Sessions.

 

Unternehmenstheater

Sammelbegriff für sowohl skriptbasierte also auch improvisiert-spontane Formen des Theaters für Firmenveranstaltungen. Ziele, die mit dem Einsatz von Unternehmenstheater unterstützt werden können, sind:
•    auflockern, ent-eisen, Gruppen für schwierige Themen öffnen
•    Heikle Themen und Tabus ansprechen
•    Dialog anregen
•    Feedback geben, Verhalten und Einstellungen spiegeln, irritieren
•    Perspektivenwechsel ermöglichen
•    Simulation und anspruchsvolle Lern-Aufgabe in Rollenspielen (mit Schauspielern)
•    Einführung/Kommunikation neuer Strategien
•    Verankerung von Unternehmens-Leitbildern
In interaktiven Formaten auch:
•    gemeinsam an Lösungen arbeiten („Good Practice Austausch“)
•    Gruppen in eine neue Form des Dialogs, des Austauschs bringen.
Häufige Anwendungsbereiche:
•    Personalentwicklung, Training
•    Events im Rahmen von Changeprozessen
•    Sonstige Aktionstage (z.B. zu Themen wie Gesundheit, Arbeitssicherheit u.a.)
•    Startveranstaltungen (z.B. Ausbildungsstart) oder Abschlußveranstaltungen (z.B. von internen Weiterbildungsprogrammen)
•    Organisationsentwicklung / interne Kommunikation
•    Betriebsversammlungen
•    Rahmenprogramm /Auflockerung für Kongresse
•    Firmenjubiläen
•    Kundenevents